Das Spinnennetz

Die Leute in der Kirche standen auf, um das erste Lied anzustimmen. Mein Blick fiel auf die leeren Bänke vor mir. Ich hatte mich schon ziemlich weit nach hinten gesetzt, weil ich nicht auffallen wollte. Dennoch saß vor mir niemand. Um so deutlicher spürte ich die Blicke, die sich in meinen Rücken bohrten. Hatten sich die Gläubigen in dieser Kirche schon so weit vom Wesentlichen entfernt, das ihnen das hintere Drittel der Kirche für ihre Versammlungen ausreichte?

Ich sah also auf die Bänke vor mir, als mir ein kleiner Faden auffiel, der von einer der Bänke bis oben an die Decke reichte. Als ich genauer hinschaute, entdeckte ich noch andere Fäden. Da bemerkte ich eine Spinne, die an einem gigantischen Netz arbeitete. Unaufhaltsam spann sie ihre Fäden. Schon entstand im vorderen Teil der Kirche ein Netz. Und es wuchs unaufhaltsam.

Bald darauf blieb der Pfarrer im Netz hängen. Anfangs zappelte er zwar noch ein bißchen, aber relativ schnell hing er einfach nur noch bewegungslos da und wartete auf sein Ende. Die Spinne arbeitete immer schneller. Schon sah ich überall in den Seitenschiffen der Kirche Fäden. Aber keiner der anderen Gottesdienstbesucher schien die Spinne zu bemerken. Anscheinend waren sie zu sehr mit sich und ihren Gedanken beschäftigt. Sie bemerkten gar nicht, dass die Spinne immer näher kam. Immer mehr Gläubige blieben in ihrem Netz hängen und konnten sich nach kurzer Zeit nicht mehr rühren. Wie Statuen standen bzw. saßen sie nun unbeweglich in der Kirche

Jetzt fing die Spinne an, auch die Mitte der Kirche mit ihrem Netz zu überziehen. Ich schrie auf. Ich versuchte, die anderen Kirchenbesucher auf die drohende Gefahr aufmerksam zu machen. Aber von hinten schubste mich jemand an und sagte, ich solle ruhig sein.

Das Netz kam immer schneller auf mich zu. Sah den niemand außer mir die Gefahr? Ich musste schnell handeln. Ich sprang auf. Eilig verließ ich die Bankreihe, in der ich saß. Erstaunte, verärgerte Blicke richteten sich auf mich. Die Besucher fühlten sich in Ihrer Andacht gestört. Noch einmal machte ich schreiend und gestikulierend auf die drohende Gefahr aufmerksam. Da kamen einige der Leute auf mich zu, packten mich und schmissen mich aus der Kirche raus. Ich war gerettet.